Das Projekt von Ramzi Mansour macht die Menschlichkeit und Stärke krebskranker Frauen deutlich. Seine Serie erzählt nicht von Leiden und Tod, sondern spiegelt die Authentizität und den Frieden wider, den jede dieser Frauen auf ihrem Weg gefunden hat.

Wie sind Sie auf die Idee für dieses Projekt gekommen?
Ursprünglich hatte mich eine Zeitschrift für ein Titelbild angesprochen. Ich sagte unter der Bedingung zu, dass ich die kreative Kontrolle habe, denn ich wollte mehr als Schönheit oder Mode ausdrücken. Ich schlug das Thema Brustkrebs vor, und es wurde angenommen. Einige Monate später erfuhr ich, dass eine große Kosmetikmarke die Titelseite gekauft hatte. Man wollte zwar noch immer, dass ich das Shooting mache, aber dass sie die Möglichkeit prüfen wollten, ihre Produkte in meinem Bild zu zeigen. Ich verstand zwar, worauf sie hinauswollten, aber es stimmte nicht mit meinen Vorstellungen überein. Ich hielt es für falsch, das zu akzeptieren. Als ich es meiner Frau erzählte, sagte sie: „Mach es doch selbst. Ich werde dir helfen.“ Mehr brauchte es nicht für meinen Entschluss, ein Buch zu dem Thema zu machen.

Und in dem sind 42 Frauen vertreten. Wie haben Sie sie kennengelernt und für Ihr Vorhaben gewonnen?
Ich habe für das Projekt etwas mehr als zwei Jahre gebraucht. Ich habe von Anfang an klargestellt, dass es mir nicht um ein Beauty-Shooting ginge. Die meisten hatten meine intimen Modeporträts gesehen und waren sehr nervös, aber auch sehr gespannt. Ich habe betont, dass ich für sie einen Moment in der Zeit festhalten wolle: in der Zeit, die sie mit mir verbrachten und mir ihre Geschichte erzählten. Dabei ist es mir immer gelungen, den Moment zu finden, der ihnen und mir ein besonderes Gefühl vermittelte. Als sie verstanden was ich vorhatte, wurde es noch einfacher. Sie erkannten, dass es sich nicht um ein gewöhnliches Foto-Shooting handelte, sondern um etwas, das es zuvor noch nie gegeben hatte: 42 Frauen, die an Krebs erkrankt waren, zu porträtieren und ihre Geschichten zu fotografieren. Das war eine Premiere und alle waren so inspiriert, dass sie andere inspirieren konnten.

Wie wichtig ist die Diskussion über Krebs für die Allgemeinheit?
Das Thema Krebs ist in Ländern, die nicht zur Ersten Welt gehören, immer noch ein Tabu. Aber Krebs macht keinen Unterschied zwischen einer Frau, die in Amerika oder einer die in Afrika geboren ist. Dem Krebs ist es egal, ob man Geld hat oder nicht, ob man gebildet ist oder nicht. Krebs ist Krebs. Die Länder der Ersten Welt erkennen an, wie schwerwiegend diese Krankheit ist. Ich versuche einfach, meine Möglichkeiten zu nutzen, um dazu beizutragen, dass das auch in den Ländern der Dritten Welt möglich wird, wo sich Frauen hoffentlich eines Tages nicht mehr schämen oder schuldig fühlen oder Angst haben, ihre Meinung zu sagen.

Ihre Bilder zeigen die Frauen lächelnd. Aber wer sie betrachtet hat keine Ahnung, was sie hinter sich haben, was sie durchgemacht haben …
Als ich die Porträts dieser unglaublichen Frauen aufnahm, war es mir sehr wichtig, jede von ihnen so authentisch und schön darzustellen, wie ich sie sah. Dass sie Krebs haben oder hatten, änderte nichts daran, dass sie wunderschöne Menschen sind. Wir haben uns auf eine gemeinsame Reise eingelassen und ihre Inspiration gesehen – das waren die Momente, in denen ich fotografiert habe. Sie haben nicht posiert, sondern es ging um Kommunikation und um ein Foto, das zum Gespräch passte. Ich wollte die Menschlichkeit dieser Frauen zeigen. Ich wollte sie als starke Frauen zeigen, die im Sinn des Wortes durch die Hölle und zurück gegangen sind, und die dennoch für jeden und alles offen sind. Ich wollte das, was sie durchgemacht haben oder durchmachen, nicht als eine morbide Geschichte darstellen, und ich wollte auch kein Lachen mit blitzenden Zähnen zeigen. Ich wollte die Authentizität und den Frieden zeigen, den sie alle auf ihrem eigenen Weg gefunden haben.

Sie haben sich dafür entschieden, die Protagonistinnen aus nächster Nähe zu fotografieren: Inwieweit ist das Porträt der beste Weg, um ihre Geschichte zu erzählen?
Diese Frauen haben mich und Tausende anderer wirklich inspiriert. Die Porträts, die ich gemacht habe, brauchten diese Nähe: Sie sollen ihre Augen und die Geschichte in ihren Augen zeigen. Ich wollte, dass der Betrachter ihre Gesichter und ihre Emotionen sieht und sich mit ihnen auf eine sanfte und menschliche Weise verbindet. Sie wurden auf eine sanfte Art und Weise fotografiert, und nicht als Opfer von Krebserkrankungen. Es war keine Ganzkörper- oder Dreiviertelaufnahmen, sondern sehr intime Nahaufnahmen, um den Betrachter mit der Geschichte zu verbinden.

Wie haben Sie es geschafft, den Frauen so nahe zu kommen?
Ich musste echt und authentisch sein. Ich musste ehrlich zu ihnen sein und ihnen zuhören. Ich habe ihnen gezeigt, dass ich mich für ihre Geschichte interessiere, denn das tat ich wirklich. Ich zeigte ihnen, dass ich wollte, dass die Welt ihre Geschichte sieht und hört, weil ich das wirklich wollte. In dieser Ehrlichkeit zeigten sie mir ihre Verletzlichkeit und Wahrheit. Ich bin für immer dankbar für diese Momente.

Sie haben die Leica S (Typ 007) eingesetzt: Wie hat sie sich bei diesem Projekt bewährt?
Ich habe die Kamera an einem großen Monitor betrieben, denn diese Frauen waren keine Models. Sie waren sehr nervös und es war ihnen oft peinlich, vor einer Kamera zu stehen. Ich habe Tethering genutzt, um ihnen Bild für Bild zu zeigen, was wir machten, und ich bat sie, sich an den Aufnahmen zu beteiligen. Das half ihnen, sich zu entspannen, und sie konnten in Echtzeit sehen, was passierte. Ich habe die Leica S (Typ 007) gewählt, weil ich sie einfach für eine der besten Mittelformatkameras der Welt halte. Ihr 3-D-Look ist unübertroffen und die Leistung des Summicron-S 1:2/100 war genau das, was ich wollte.

Abgesehen von der Krankheit, was verbindet die Frauen miteinander? Und was trennt sie?
Der gemeinsame Nenner dieser Frauen ist ihre Resilienz. Ihre Stärke, jeden Tag aufzustehen und weiterzumachen. Die Fähigkeit, einen Grund zum Leben zu finden und die Krankheit zu bekämpfen. Viele sind Mütter, viele sind kreativ tätig, viele sind Geschäftsfrauen. Es gibt so viel, was diese Frauen eint, dass es schwierig ist, Ihre Frage zu beantworten. Was das Buch betrifft, so habe ich nichts gefunden, was die Frauen voneinander trennt. Auch dort gibt es so viele unterschiedliche Hintergründe, Altersgruppen, Kulturen, Religionen und finanzielle Möglichkeiten, aber ich glaube, das gilt für alle Menschen.

Was bedeutet Resilienz für Sie?
Für mich hat Resilienz mit dem inneren Kritiker ¬– Angst – zu tun, der sagt, dass man es nicht schaffen kann oder nicht schaffen wird oder dass man versagen wird. Es geht um die innere Kraft ¬– Liebe –, die den inneren Kritiker überwindet, um es zu schaffen, um die Gegenwart zu akzeptieren, und wenn man das mit Mut, Tapferkeit und Selbstliebe tut, kann man alles durchstehen.

Was haben Sie durch das Projekt gelernt?
Nach zwei Jahren mit diesem Projekt kann ich mit Nachdruck und voller Überzeugung sagen, dass ich gelernt habe, bescheidener zu sein. Ich habe gesehen, wie unglaublich glücklich und gesegnet ich bin, ebenso wie meine Familie. Ich habe die Art von Schmerz und Qual gesehen, die man nur in Filmen sieht, und ich habe die Hoffnung, die Kraft und den Mut gesehen, weiterzukämpfen. Dieses Projekt hat mich zutiefst berührt und mir die Möglichkeit gegeben, nicht vorschnell zu urteilen und anderen gegenüber achtsamer zu sein – man weiß wirklich nie, was jemand durchmacht, wenn man nicht in seiner Haut steckt. Es war eine beglückende Erfahrung, die mich Demut lehrte.

Ramzi Mansour, 1973 in Melbourne geboren, führt seine Vorliebe für die Schwarzweiß-Fotografie auf die klassische Porträtfotografie der 1980er-Jahre und auf die bahnbrechenden Arbeiten der Fotografen zurück, die in den 1990er-Jahren den Aufstieg der Supermodels begleiteten. Er möchte seine Protagonisten würdigen und zeitlose klassische Bilder einfangen, die auf uns alle authentisch wirken. Mansour lebt in Kapstadt und fotografiert on location und im Studio. Erfahren Sie mehr über dieses Projekt auf der Resilienz-Website und die Fotografie von Mansour auf seiner Website und in seinem Instagram-Kanal.

Leica S

Eine Klasse für sich.