Längst gilt Ralph Gibson als einer der wichtigsten stilbildenden Fotografen seiner Generation. Seine klare, präzise Bildsprache ist einzigartig. Im letzten Jahr wurde der 1939 geborene Fotograf in die Leica Hall of Fame berufen.

Nun hatte der erfahrene Leica Fotograf als einer der Ersten die Chance, die neue Leica M11 auszuprobieren. Seit über 60 Jahren nutzt er unterschiedliche Leica Kameras für seine Arbeit, hat im Laufe der Jahrzehnte mit vielen Modellen experimentiert und ist – zunächst skeptisch, dann aber mühelos – mit der Leica M Monochrom von der analogen zur digitalen Technik gewechselt. Es war also sehr naheliegend, ihm eine der ersten M11-Kameras zukommen zu lassen und an seinen Erfahrungen teilzuhaben. Vor ein paar Monaten traf das Kamerapaket in New York ein und der Fotograf erinnert sich noch genau an den Moment: „Ja, ich habe mich sehr über die Leica M11 gefreut. Am Morgen, als sie ankam, sagte meine Frau Mary Jane beim Auspacken: ‚Deine Arbeit ändert sich immer, wenn du eine neue Kamera bekommst.‘“

Eigentlich eine erstaunliche Anmerkung, denn beim Blick auf das umfangreiche und Jahrzehnte umspannende Werk lässt sich immer die typische Bildsprache des Fotografen erkennen. Nun ist allerdings seine Frau deutlich näher am Produktionsprozess und kann am besten einschätzen, welche Herausforderungen ein neues Kameramodell für den Fotografen mit sich bringt. Doch auch diesmal war die Umstellung ganz einfach: „Es dauerte nicht lange, bis ich mich im Menü zurechtfand, und ich stellte fest, dass es eine breite Palette von Optionen enthielt“, berichtet Gibson. „Aber ich bin kein Fotograf, der sich für die technische Seite der Dinge interessiert. Normalerweise wähle ich einfach einen brauchbaren ISO-Wert und stelle den Auslöser auf A. Bei der Arbeit mit der ersten M Monochrom habe ich festgestellt, dass es am besten ist, die Kamera das technische Denken übernehmen zu lassen.“

Vielleicht die beste Einstellung, um sich ganz auf die kreative Arbeit zu konzentrieren und in gewohnter Weise auf Motivsuche zu gehen. Entstanden ist eine Serie von Farbaufnahmen, die sich perfekt in das Werk Gibsons einreihen und ganz wunderbar das Repertoire seiner Bildsprache widerspiegeln. Sie ist so individuell wie zeitlos. Auch bei den neuen Motiven war er wieder ganz nah an den von ihm fotografierten Objekten, sodass er seine Motive wie gewohnt in ein perfektes Wechselspiel aus Abstraktion und Gegenständlichkeit bringen konnte. Viele der Motive entstanden während einer Tour durch einen Jachthafen auf Long Island. Doch Gibson interessierten nicht die prächtigen Boote in ihrer Gesamtheit, sondern es waren wieder kleine Details und spannende Bildausschnitte, die er für seine Aufnahmen auswählte. So entstanden fein gegliederte Motive aus Farben, Flächen und Formen und auch die schillernden Lichtreflexionen auf dem Wasser passen sich perfekt in die Bildkompositionen ein.

Manchmal muss man wieder zweimal hinschauen, um einen Anker, eine Bugspitze oder ein anderes Objekt in seiner Funktion und Proportion zu erkennen. Aber gerade für das Spiel zwischen Realität und Verfremdung hat der Fotograf ein besonderes Faible, hat er doch schon immer abstrakte oder surreal-metaphysische Aspekte in seine Aufnahmen integriert. Und so werden alltägliche Dinge wie die in Servietten eingerollten Bestecke auf einem Strukturglastisch zu einem spannenden Stillleben. Licht und Transparenz sorgen für eine edle Anmutung, das strahlende Blau von Gläsern bildet einen zusätzlichen Akzent.

Auch die Aufnahme, die im Rahmen seiner Auszeichnung mit dem Leica Hall of Fame Award als Leica Picture of the Year ausgewählt wurde, entstand auf Long Island. Aus dem Motiv des Motorboots wird im engen Ausschnitt eine spannungsvoll-dynamische Komposition aus Linien, Flächen und Farben. Auch hier ist es dem Fotografen einmal mehr und überzeugend gelungen, dem spontan gesehenen Objekt eine streng grafische, aber auch elegant-malerische Anmutung zu entlocken.

Dass ihn bei seiner Motivauswahl auch die neue Leica M11 bestens unterstützte, erklärt Gibson nur am Rande: „Ich verwendete auch das Summicron-M 1:2/35 ASPH. und ging näher an die Motive heran. Bei einigen Aufnahmen war das Objektiv nur in einem Abstand von 30 Zentimeter zum Motiv fokussiert! Das ist ein interessantes visuelles Terrain, und mir fiel sofort auf, dass es keine Verzerrung gab.“ Überhaupt die Auswahl der Kameraobjektive – hier hat der Fotograf eigentlich eine klare Vorliebe, wie er gesteht: „Unter den anderen Objektiven sind vor allem das Summarit-M 1:2.4/75 und das APO-Telyt 1:3.4/135 bemerkenswert. Ich verwende diese beiden Brennweiten nun schon seit sechs oder sieben Jahren und betrachte meine geliebte 50-mm-Perspektive heutzutage im Grunde als Weitwinkel.“

Bei seinen nächsten Fotografie-Exkursionen wird Gibson weitere Erfahrungen sammeln und wir sind auf weitere Motive sehr gespannt. Als Resümee seines ersten Gebrauchs der Leica M11 gab uns der Fotograf noch mit auf den Weg: „Die Leica M11 hatte einen erstaunlichen Sinn für Balance und spiegelte sofort meine Sehgewohnheiten wider. Das ist der Grund, warum ich seit 60 Jahren Leicas verwende.“

Die Ausstellung in der Leica Galerie Wetzlar, die einen Werküberblick, aber auch ganz aktuelle Arbeiten von Ralph Gibson anlässlich seiner Auszeichnung mit dem Leica Hall of Fame Award präsentiert, läuft noch bis Ende Februar.

Das Leica Picture of the Year (ein Modern Digital Print, 22,86 x 30,48 cm) ist in den Leica Galerien zu erwerben. Es ist in einer Auflage von 75 Exemplaren erschienen, auf der Vorderseite signiert und wartet mit einem Echtheitszertifikat in einer Schmuckbox auf seine Sammler.