Ein großes internationales Sportereignis vor der historischen Kulisse der Olympischen Spiele von 1972 zu fotografieren, und das mit einer Kamera, die sich komplett manuell bedienen lässt – eine Idee, so kreativ wie puristisch. Sportfotograf Poby hat sich mit zwei Leica M10 Monochrom und vier Objektiven zwischen die Sportfotografen und ihre extrem langen Brennweiten gewagt und die Wettkämpfe begleitet. Leichtathletik, Radsport, Turnen, Rudern, Triathlon, Kanusport, Beachvolleyball, Tischtennis und Klettern standen in München auf dem Programm. Herausgekommen ist ein konzeptionelles Werk voll ästhetischer Kraft in Schwarzweiß.

Woran erinnern Sie sich bei den European Championships Munich 2022 sofort?

Pure Freude und Lust auf Fotografie und Kreativität! Das Münchner Olympiastadion ist ja ein legendärer Ort. Für mich war es etwas ganz Besonderes, das Großevent entgegen allen neuartigen Trends mit einem komplett anderen Kamerasystem zu fotografieren.

Sie waren mit der Leica M10 Monochrom unterwegs.

Es war herrlich. Ich habe mich gefühlt, als würde ich emotional wieder nach Hause kommen. Ich habe mehr als zehn Jahre im Olympiastadion Fußballspiele des FC Bayern fotografiert, mit analogen, manuell bedienten Kameras. Solche Sportevents werden heute von professionellen Fotografen mit sehr schnellen Autofokus-Kameras und langen Brennweiten fotografiert, sodass man nah am Geschehen sein kann, ohne den Fernsehkameras im Weg zu stehen. Das ist alles ganz genau festgeschrieben. Da bleibt kaum Spielraum für andere Kameraformate. Genau darin lag für mich der Reiz des Projekts. Da saß ich mit meinen relativ kurzen Brennweiten (1.8/24 mm, 1.4/35 mm, 1.4/50 mm und 2.4/90 mm) neben den weltbesten Sportfotografen und habe besondere Perspektiven und Momente gesucht, die eine spannende Geschichte erzählen. Wie früher musste ich meine Bilder voraussehen und alles entsprechend manuell einstellen, um zu meinen Bildern zu kommen.

Haben Sie ein Beispiel, worin konkret vor Ort der wesentliche Unterschied zwischen einer M10 Monochrom und anderen Kameras liegt?

Nehmen wir an, ich fotografiere eine Sportveranstaltung und bin ganz nah bei den Athleten. Ich beobachte einen Moment, der sich entwickelt und ein gutes Bild ergeben könnte. Während ich mich der Situation nähere – aufgrund meiner kurzen Brennweiten muss ich ja näher heran – stelle ich schon die korrekte Belichtung ein und mache noch beim Laufen ein schnelles Testbild, um zu sehen, ob die Belichtung auch stimmt. Dann stelle ich den Fokus ungefähr auf die geschätzte Entfernung zum Objekt. Wenn ich meine Position gefunden habe, kann ich sehr schnell die Schärfe einstellen und korrigieren. Sobald ich ein sich bewegendes Objekt vor mir habe, beispielsweise einen Triathleten, der vom Rand ins Wasser springt, stelle ich erst auf den Rand scharf und ändere die Schärfe anschließend, indem ich sie um ein bis zwei Millimeter am Objektiv nach hinten verlege. Der Athlet springt dann quasi in meinen Schärfepunkt hinein. Es ist alles eine Frage der Routine und Erfahrung.

Wie ist überhaupt die Idee entstanden, mit der Leica ein Großevent zu fotografieren, bei dem es auch fotografisch auf Bruchteile einer Sekunde ankommt?

1972, genau vor 50 Jahren, fanden die Olympischen Spiele in München statt. Als ich erfuhr, dass die European Championships Munich 2022 auf dem Olympiagelände veranstaltet werden, war mir sofort klar, dass ich sie als Kunstprojekt fotografieren muss. Vor 50 Jahren waren manuelle M-Kameras von Leica führend in der Sportfotografie. Damals musste man viel Erfahrung und Routine mitbringen, um gute Sportbilder zu machen. Ich wusste, dass dieses Projekt für mich nur funktioniert, wenn ich mit einer manuellen, aber modernen Leica arbeiten kann – mit Objektiven, die schon 1972 auf dem Markt waren. Mein Ziel war es, Bilder zu machen, die sich auf das absolut Essenzielle konzentrieren, auf Licht und Schatten, in Schwarzweiß.

Sie waren selbst Profisportler. Hilft das bei der Motivsuche?

Fotografieren mit einer Leica M ist nicht die übliche Fast-Food-Fotografie. Man muss die Sportart verstehen und Bewegungsabläufe zu interpretieren wissen, um das beste Foto aus jeder Situation herauszuholen. Es hilft ungemein, die Abläufe und die Dynamik einer solchen Sportveranstaltung zu begreifen, um zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein. Und natürlich ist es sehr wichtig, die Athleten selbst zu verstehen, die Abläufe, die Emotionen, die Konzentration. Ich fühle wie ein Athlet und sehe da klar einen Vorteil für meine Arbeit. Dadurch habe ich einen anderen Zugang zu ihnen und kann Vertrauen schneller aufbauen.

Wo Profisportler zum Fotografen: Wie kam es überhaupt zu dieser Entscheidung?

Schon während meiner aktiven Zeit als Sportler habe ich mich mit Kunst und Malerei, Fotografie und Super-8-Filmen beschäftigt. Nach meiner Sportlerkarriere habe ich dann Grafikdesign und Malerei studiert. Seitdem versuche ich, diese beiden Welten miteinander zu verbinden. Für mich ist es eine ganz natürliche Entwicklung. Ich habe eben nicht nur eine Liebe in mir.

Noch einmal zurück nach München: Was lag Ihnen beim Fotografieren besonders am Herzen?

Zu zeigen, dass gute, emotionale Sportfotografie nicht nur mit schnellen Autofokuskameras und langen Brennweiten funktioniert – und dass es besonders schön ist, unsere hektische, reizüberflutete Welt auch mal in Schwarzweiß zu betrachten. Gute Bilder entstehen schon vorher im Kopf und man kann sie auf so vielen verschiedenen Wegen Wirklichkeit werden lassen. Der ungarische Photograph Martin Munkácsi hat schon in den 1930er- und 40er-Jahren mit Großformatkameras gute Sportbilder gemacht. Das hat mich vor Jahrzehnten inspiriert, Sport ebenfalls mit Mittelformat (Hasselblad) oder eben Großformat (Linhof) zu fotografieren und mich von anderen abzusetzen: Alles war manuell und auf Film. Die European Championships Munich 2022 in Verbindung mit der Leica M10 Monochrom war für mich die beste Möglichkeit, das erneut unter Beweis zu stellen. Dieses Kunstabenteuer war für mich ein absolutes Vergnügen.

Was reizt Sie an der Sportfotografie ganz besonders?

Dass ich nicht nur geistig, sondern auch körperlich sehr gefordert bin. Ich bin jeden Tag mit dem Fahrrad von meiner Unterkunft zur Veranstaltung in den Olympiapark gefahren, im Rucksack die Kameras. Es ist schon wunderbar abwechslungsreich, draußen in den Bergen, im oder unter Wasser zu fotografieren und dann aber auch wieder im klimatisierten Studio. Diese Kombination hat einen sehr schönen eigenen Reiz und ich freue mich auch nach fast 30 Jahren immer noch, wenn ich die Kamera in die Hand nehme, egal ob für Fotos oder Videos.

Peter Pobyjpicz aka Poby ist in Deutschland geboren und aufgewachsen. Nach seiner Sportkarriere u. a. in der deutschen Wasserballnationalmannschaft hat er in Düsseldorf Grafik, Design und Malerei studiert. Seither verbindet er die beiden Welten und hat sich mit seiner Arbeit spezialisiert auf Sport, Lifestyle und Unterwasserfotografie. Er hat zahlreiche Olympische Spiele und Weltmeisterschaften mit seiner Kamera begleitet und fotografiert Kampagnen für Visa, Adidas, Lufthansa, Volvo, BMW u.v.m. Poby lebt seit 2004 in den USA, derzeit in Los Angeles.

Erfahren Sie mehr über die Fotografie von Poby auf seiner Webseite (www.poby.net ) und seinem Instagram-Kanal. (@thepoby)

 

 

 

 

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