Die Fotografin hat schon öfter am Set fotografiert, darunter bei TV- und Filmproduktionen wie Charité (2. Staffel einer ARD-Serie, 2018) und Nahschuss, einem Kinofilm unter der Regie von Franziska Stünkel (2021), bevor sie im August 2022 die Key Visuals zu Gute Freunde – Der Aufstieg des FC Bayern (2023) produziert hat. Am 18. November 2023 ist der von David Dietl gedrehte Sechsteiler Gute Freunde – Der Aufstieg des FC Bayern auf RTL+ angelaufen. Die Biopic-Serie erzählt davon, wie dem FC Bayern München im Sommer 1965 der Aufstieg in die Bundesliga gelingt. Darüber hinaus porträtiert sie die Mannschaft zwischen 1965 und 1974, die aus dem Nichts kam und zu einem der besten Fußballteams aller Zeiten wurde.
Hier berichtet Xiomara Bender von ihrer Arbeit hinter den Kulissen und erklärt, worauf sie bei den Key Visuals geachtet hat und was Fotografie generell für sie bedeutet.
Was ist der größte Unterschied zwischen der Reportage- und der Set-Fotografie?
Die Reportagefotografie, eingetaucht in die Unmittelbarkeit des Lebens, eröffnet den Raum für die Authentizität des Augenblicks, in dem die subjektive Wirklichkeit selbst als Regisseur fungiert. Demgegenüber steht die Set-Fotografie, ein inszeniertes Theater, bei dem die Grenzen zwischen Realität und Inszenierung verschwimmen. Hier wird die Realität von einer kreativen Vision gelenkt, jeder Schatten orchestriert und jede Pose geplant. In diesem Ambiente wird die Kamera zu einem Werkzeug, das nicht nur das Gesehene, sondern auch das Gewollte einfängt.
Wie schaffen Sie es, das Gewollte einzufangen?
Zwei Aspekte sind essenziell, um visuelle Schlüsselmomente an einem Set zu erschaffen: zum einen die Fähigkeit zur Kommunikation, die behutsam aber effizient erfolgen muss, um den reibungslosen Ablauf der streng getakteten Produktion nicht zu beeinträchtigen. Zum anderen erfordert es das Verständnis, die oft kurzen Augenblicke der Stille und Besinnung zu nutzen, wenn alle Elemente harmonieren: die Kulisse, die Atmosphäre, das Licht. In diesen Momenten gilt es, mit rascher Präzision, technischer Raffinesse und einem Lächeln die entscheidenden Aufnahmen festzuhalten – in einem Zeitfenster, das oft nur Sekundenbruchteile währt.
Was ist für Sie die größte Herausforderung beim Fotografieren?
Die Suche nach der unsichtbaren Essenz, die das Bild über das bloße Abbilden hinaushebt. Die Kamera ist nicht nur ein Werkzeug, sondern eine Brücke zwischen Realität und Interpretation. Es geht darum, nicht nur das Sichtbare festzuhalten, sondern die Stille zwischen den Pixeln zu erfassen – jenen Raum, in dem die Gedanken tanzen und die Wahrheit in Nuancen verborgen liegt. Auch wenn meine Tätigkeit am Filmset nicht den Kern meiner kreativen Arbeit ausmacht, ist sie ein Teil des Ganzen. In diesem Kontext entfaltet sich ein spannendes Wechselspiel zwischen den äußeren Erfordernissen der Fotografie, in der ich als Bildgestalterin mitwirke, und meiner inneren Welt als kreativer Schöpferin, die eigene Geschichten formt.
Wie ist das Projekt Gute Freunde – Der Aufstieg des FC Bayern zustande gekommen?
Meine Beteiligung an dem Projekt findet ihren Ursprung in meiner Verbindung zum Kameramann Holly Fink, den ich durch meinen engen Freund, den Drehbuchautor und Regisseur Anno Saul, am Set von Charité kennengelernt habe. Unter Annos Einfluss begann ich, mich intensiver mit der Kunst auseinanderzusetzen, das Herz eines Films oder einer Serie einzufangen. Damals erkannte ich erst im Nachhinein seine charmante Absicht, meinen oder vielleicht einen nichtkommerziellen, dokumentarischen Blick in sein Set einzubringen. Holly war von meinen Bildern begeistert und drängte darauf, mich mit dem Regisseur David Dietl bekanntzumachen. Er fragte mich: „Kannst du dasselbe machen wie bei Charité, frei von Vorgaben und einfach mit deinem Blick?“
Was war bei den Key Visuals zu beachten?
Key Visuals bilden eine mächtige Allianz, um die Geschichten von Filmen zum Leben zu erwecken und sie einer breiten Öffentlichkeit zu präsentieren. Sie fungieren als kraftvolle Vorboten, die die Essenz und den Zauber des Films einfangen, und wecken das Interesse für die Handlung, bevor die Zuschauer überhaupt ein einziges Bewegtbild gesehen haben.
Wie haben Sie die Ästhetik der TV-Produktion auf Ihre eigene Bildästhetik übertragen? Oder bewusst davon abgesetzt?
Die Grundidee des ausführenden Produzenten Tobias Timme und mir war nicht nur eine parallele visuelle Identität jenes Films aufzuzeigen, sondern durch die Verwendung von Schwarzweißbildern eine visuelle Authentizität und Intimität zu schaffen, die das Publikum unmittelbar in die Atmosphäre der 1970er-Jahre versetzt.
Sie haben teils in Schwarzweiß, teils in Farbe fotografiert. Wie entscheiden Sie über Farbe oder Schwarzweiß?
Schwarzweißbilder haben die einzigartige Fähigkeit, Emotionen auf eine tiefere und abstraktere Weise zu vermitteln. Diese Bildform kann dazu beitragen, den Fokus auf die Gefühle und die Wesentlichkeit des Moments zu lenken. Die Idee, sich vom berühmten Unterwäsche-Fotoshooting von Uli Hoeneß und Paul Breitner aus dem Jahr 1973 inspirieren zu lassen, das auch in der Serie vorkommt und bei dem ich wiederum die historische Fotografin spielen durfte, unterstreicht die zeitlose Ästhetik von Schwarzweißbildern. Durch die Verwendung dieser Bildform kann eine zeitlose Eleganz vermittelt werden, die an historische Fotografien erinnert.
Was wollten Sie mit den Key Visuals erreichen?
Die Bilder sollten nicht nur ästhetisch ansprechend, sondern auch aussagekräftig für die Zeit sein. Der Ausdruck und die Körpersprache der dargestellten Charaktere wurden sorgfältig inszeniert, um ihre Persönlichkeiten und die Essenz der Filmgeschichte widerzuspiegeln. Das übergeordnete Ziel bestand darin, dass jedes Bild nicht isoliert für sich steht, sondern als integraler Bestandteil einer visuellen Erzählung agiert. Der Versuch bestand darin, dass die Bilder nicht nur einen schnellen Moment einfangen, sondern einen Beitrag zur umfassenderen Geschichte und zur Nuancierung der Charakterentwicklung leisten.
Xiomara Bender
1987 in Basel/Schweiz geboren, wurde Xiomara Bender mit einer Reihe nationaler und internationaler Preise ausgezeichnet, darunter mit dem London Fine Art Photography Award und dem Deutschen Fotobuchpreis 2018 in Silber für ihren Fotoband North Korea. The Power of Dreams (2016). Benders Arbeiten wurden u. a. im Stern, in Geo und in der Zeit veröffentlicht. Neben Reportageprojekten widmet sie sich der Porträtfotografie. Außerdem begleitet sie die Bühnenproduktionen der Tiroler Festspiele Erl und war bereits einige Male für die Set-Fotografie bei TV- und Filmproduktionen zuständig, bevor sie die Key Visuals zu Gute Freunde – Der Aufstieg des FC Bayern (2023) produzierte. Unter dem Titel 25 Million. North Korea. The Power of Dreams, 2011–2019 waren in der Leica Galerie München bis zum 31. März 2022 Benders Einblicke in das unbekannte Land Nordkorea zu sehen. Diese Serie erscheint als ihr zweites Buch im Frühjahr 2024 bei teNeues, Warten auf den Regenbogen. Zehn Jahre Nordkorea.
Equipment: Leica SL2, Summilux-SL 1:1.4/50 Asph.
Website: xiomara-bender.com
Instagram: @xiomarabenderphotographer
Alle Bilder: © Gute Freunde – Der Aufstieg des FC Bayern/RTL +/RTL/UFA Fiction, Xiomara Bender, 2022
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